A8 | Wissensklufthypothese – digibasics
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A8 | Wissensklufthypothese

Bisher hast du dich mit Theorien beschäftigt, die sich mit dem Einfluss der Medien auf unsere Meinungsbildung beschäftigen. Andere Ansätze nehmen die gesellschaftlichen Bedingungen in den Blick und beschäftigen sich mit der Ungleichverteilung der Chancen, von Medien zu profitieren.  

Massenmedien spielen eine zentrale Rolle, wenn es um Informationen über Geschehnisse in der Welt, Faktenwissen und Meinungsbildung geht. Besonders mit Blick auf das Internet und den somit niedrigschwelligen Zugriff auf Informationen sollte man meinen, dass alle Menschen die gleichen Voraussetzungen haben, um sich zu informieren, sich zu bilden und an der demokratischen Gesellschaft teilhaben zu können. Dies ist ein Trugschluss. Auch schon vor der flächendeckenden Verbreitung des Internets haben Tichenor et al. in den 1970er Jahren darüber diskutiert. Sie kamen zu dem Schluss, dass Menschen mit einem sozioökonomisch höheren Status und/oder stärkerer Bildungsnähe eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, der Medienberichterstattung möglichst viele Informationen zu entnehmen und diese zu verarbeiten, als es bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status und/oder grösserer Bildungsferne der Fall ist. 

Die Wissensklufthypothese stellt die Vorstellung von der demokratisierenden Funktion der Medien infrage. 
Schau dir das Video zur Wissensklufthypothese an:

Textversion zum Erklärfilm «Wissensklufthypothese»

Die Wissensklufthypthese besagt, dass wir Menschen nicht die gleichen Voraussetzungen haben, kompetent und kritisch mit Informationen und Medienangeboten umzugehen. Auch, wenn wir scheinbar den gleichen Zugang zu ihnen haben.   

Besonders der Bildungsgrad kann hier eine grosse Rolle spielen. Denn Bildung hilft uns dabei, gezielt und sachgerecht nach Informationen zu suchen. Auch um Medienberichte richtig einordnen und kritisch hinterfragen zu können, braucht es Vorbildung. Menschen mit weniger hoher Bildung haben noch weniger Strategien dafür.   

Zudem geht die Wissensklufthypothese davon aus, dass Menschen mit niedriger Bildung eine weniger breite Palette von Medienangeboten nutzen und somit weniger Zugang zu facettenreichen und speziellen Informationen haben, z.B. zu wissenschaftlichen oder politischen Themen.   

Somit können Menschen mit niedriger Bildung häufig weniger von Medien und ihren Angeboten profitieren als Menschen mit hohem Bildungsgrad. Dadurch verstärkt sich die Kluft – die Wissenskluft – zwischen Menschen mit höherer Bildung und Menschen mit nicht so viel Bildungserfahrung. Dies ist kritisch zu betrachten mit Blick auf Chancengerechtigkeit, gute Meinungsbildung und demokratische Teilhabe. Der kompetente Umgang mit Medien und ihren Inhalten entwickelt sich also nicht von allein, sondern muss gezielt erlernt und gefördert werden.  

Dies führt dazu, dass die Wissenskluft zwischen beiden Personengruppen wächst. Auf der einen Seite sind die bildungsnäheren und/oder sozioökonomisch besser gestellten Menschen, auf der anderen Seite der Kluft sind die Menschen mit grösserer Bildungsferne und/oder mit sozioökonomisch niedrigem Status, die von den Medien nicht so stark profitieren können. Und diese Kluft wächst, statt dass sie sich verkleinert.

Das heisst, dass die Schule hier eine wichtige Aufgabe hat: Wenn sie die Schüler:innen in ihrer Entwicklung von Medienkompetenz unterstützt und ihnen die Möglichkeit bietet, herkunftsbedingt fehlende medienbezogen reflexive Erfahrungen zu kompensieren, kann sie entscheidend einer Wissenskluft entgegenwirken und damit für Chancengerechtigkeit von allen Kindern und Jugendlichen sorgen.  

Zum Überlegen

Inwiefern ist die Wissensklufthypothese relevant für dich als (zukünftige) Lehrperson? 

Welche Schlussfolgerungen kannst du aus den oben genannten Annahmen ziehen mit Blick auf deine Arbeit?  

Was bedeutet das konkret für deinen Unterricht, vor allem auch mit Blick auf die Heterogenität deiner Schüler:innen? Denke dabei an die technische Ausstattung, die schnell veraltet, und was dies bedeutet für die Kompetenz und Heterogenität der Lernenden.

Welche Konsequenzen muss die Schule daraus ziehen? Denke an die Art der Kommunikation mit den Lernenden und das Aufgreifen von Vorwissen oder das Bearbeiten von Hausaufgaben. 

Was heisst dies in Bezug auf die Begleitung der Kinder durch ihre Eltern?

Ein besonderes Thema, wo Wissenskluft von Bedeutung ist, ist auch der Zugang zu neuer Technologie durch ältere Menschen. Welche Konsequenzen müssen wir als Gesellschaft ziehen, damit ältere Menschen nicht von neuen Möglichkeiten der Information, Kommunikation und politischen Teilhabe ausgeschlossen sind?