Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Bild von Robotern hauptsächlich mit den Charakteren von Science-Fiction-Filmen verbunden. Im Lauf der Zeit haben sich diese Geräte jedoch in vielen Bereichen des täglichen Lebens etabliert.
Moderne Alltagsgeräte integrieren Robotertechnologien auf eine Art und Weise, die wir oft kaum bemerken. Allgemein bekannt sind Rasenmäher-Roboter oder automatisierte Staubsauger. Im Bildungsbereich haben Roboter ihren Platz als Lernwerkzeug für eine begreifbare Informatik gefunden.
In Kürze zum Hören
Im Bildungsbereich haben Roboter ihren Platz als Lernwerkzeug für eine begreifbare Vermittlung von Informatik gefunden.
Was ist Robotik?
Der Einsatz von Robotern für pädagogische Zwecke begann Ende der 1960er-Jahre mit einer Idee von Seymour Papert, einem Dozenten für Mathematik, Computerwissenschaften und Pädagogik am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Papert erkannte früh das Potenzial von Robotern zur Unterstützung des Lernprozesses. Er entwickelte unter anderem den berühmten programmierbaren Roboter «Turtle» (1), der geometrische Formen zeichnen konnte. Seitdem hat die Technologie grosse Fortschritte gemacht. Heute steht uns eine breite Palette an Bildungsrobotern zur Verfügung.
Eine Grundannahme beim Einsatz von Robotern im Bildungskontext lautet: Wir lernen besser, wenn wir aktiv sind, Dinge anfassen und mit unserer Umgebung interagieren. Um eine Herausforderung zu meistern, müssen die Schülerinnen und Schüler zunächst Hypothesen formulieren, wie die Herausforderung angegangen werden kann.
Nach dem Bau und der Programmierung von Robotern wird die Wirksamkeit der Lösungsansätze getestet. Die Experimente werden iterativ überprüft und verbessert, bis das gewünschte Resultat erreicht ist.
Weshalb Robotik in der Schule?
Der Einsatz von Bildungsrobotern steigert nicht nur die Motivation und das Interesse der Schülerinnen und Schüler an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), es fördert auch fachliche und überfachliche Kompetenzen sowie das informatische Denken – eine Schlüsselkompetenz im digitalen Zeitalter.
Wir lernen besser, wenn wir aktiv beteiligt sind, Dinge wie Roboter anfassen können und mit ihnen interagieren.
Robotersysteme bieten eine praxisnahe und fächerübergreifende Lernumgebung, die grundlegende Konzepte der Informatik vermittelt und das Verständnis und die Anwendung von Wissen in verschiedenen Fächern unterstützt. Darüber hinaus hat sich die Robotik als wirksames Instrument für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf erwiesen. Die Einsatzmöglichkeiten der Robotik im Unterricht sind vielfältig. Einige Beispiele:
Roboter, die zeichnen
Schülerinnen und Schüler können im Mathematikunterricht geometrische Formen auf Papier zeichnen lassen, indem sie die Roboter programmieren. Hierfür wird beispielsweise beim Thymio (2) ein Stift in der Mitte des Roboters befestigt, mit dem überall dort eine Linie gezogen wird, wo der Roboter durchfährt. Diese Aktivität hilft den Lernenden, handelnd ein tieferes Verständnis für geometrische Konzepte wie Winkel und Umfang zu entwickeln.
Roboter, die tanzen
Im naturwissenschaftlichen Unterricht bieten Roboter die Möglichkeit, ökologische Systeme und das Zusammenspiel verschiedener Lebewesen zu simulieren. So können Schülerinnen und Schüler komplexe Zusammenhänge in der Natur praktisch erforschen. In solchen Lernumgebungen bauen sie Roboter, die bestimmte Verhaltensweisen nachahmen.
Ein anschauliches Beispiel ist die Ausführung des Bienentanzes durch einen Roboter. Hier liegt der Schwerpunkt darauf, den Algorithmus, welcher dem Bienentanz zugrunde liegt, zu analysieren und durch Konstruktion und Programmierung nachzubilden.
Roboter im Sportunterricht
Im Sportunterricht können Roboter wie etwa der «Spike Prime» (3) mittels Lagesensor Bewegungen, Geschwindigkeit oder Entfernung messen und so einen praktischen Bezug zur Physik herstellen.
Der Kunstunterricht kann durch den Einsatz von Robotern bereichert werden, die es den Schüler:innen ermöglichen, Kunstwerke zu schaffen. Die Roboter werden beispielsweise so programmiert, dass sie sich in einer dunklen Umgebung auf schwarzen Linien bewegen, die mit LEDs in verschiedenen Farben beleuchtet werden. Mit Langzeitfotografie können Zeichnungen mit dem von den Robotern ausgestrahlten Licht erstellt werden.
Robotik als begreifbare Informatik
Der Modullehrplan Medien und Informatik des Lehrplans 21 verweist unter dem Begriff «begreifbare Informatik» auf die Bedeutung der Robotik für das Lernen der Schülerinnen und Schüler: «Informatik gilt als abstraktes Fach. Für einen erfolgreichen Unterricht in der Schule ist es wichtig, Informatik anschaulich und «begreifbar» zu vermitteln.
Sensoren, Aktoren und Roboter verbinden die abstrakte Welt der Informatik mit den eigenen Handlungserfahrungen und der wahrgenommenen Umwelt der Kinder und Jugendlichen.» (4).
Beim Experimentieren mit Robotern sollen eigene Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen aus ihrer Lebenswelt einbezogen werden.
Sensoren, Aktoren und Roboter schaffen eine Verbindung zwischen der abstrakten Welt der Informatik mit den Handlungserfahrungen der Lernenden.
Informatikkonzepte sollen lustvoll, spielerisch und handlungsorientiert vermittelt werden. Der im Lehrplan 21 beschriebene Anspruch ist eine konkrete Umsetzung des sogenannten «Physical Computing» (5), bei dem es um die Verbindung der virtuellen mit der physischen Welt geht.
Materialien und Weiterbildung zu Robotik
Lehrpersonen steht für das Thema «Robotik in der Schule» die Plattform roteco.ch (6) zur Verfügung. Diese Online-Plattform lädt dazu ein, spezifische Unterrichtsmaterialien zu entdecken, zu erstellen und auszutauschen.
Darüber hinaus werden ausserschulische Angebote zur Auseinandersetzung mit Robotik vorgestellt, beispielsweise die Teilnahme an internationalen Robotik-Wettbewerben wie der First Lego League (FLL) (7). Solche Veranstaltungen bieten für Schülerinnen und Schüler eine einzigartige Gelegenheit, ihre erworbenen Fähigkeiten praxisnah zu testen.
Ausblick
Beim Lernen mit Robotern tauchen Schülerinnen und Schüler tief in die MINT-Welt ein, indem sie Roboter zum «Leben» erwecken. Dies fördert nicht nur den Zugang zu MINT-Fächern, sondern auch die Entwicklung von Teamgeist, kreativer Problemlösung und Experimentierfreude.
Mit der seit Kurzem möglichen Integration generativer KI-Technologien in den Lernprozess stehen wir vielleicht an einem spannenden Wendepunkt. Möglicherweise übernehmen in naher Zukunft generative KI-Technologien das aktive Erforschen. KI-Technologien könnten künftig Probleme lösen, bevor die Lernenden selbst darüber nachdenken. Dies würde den Anteil des direkten Experimentierens und der gemeinsamen Erfolgserlebnisse verringern.
Aus pädagogischer und didaktischer Sicht stellt sich damit die Frage, ob und wie sich KI-basierte Technologien beim autonomen Lernen einsetzen und sinnvoll nutzen lassen, um die eigenen Lernerfahrungen zu unterstützen und zu erweitern. So bleibt das Lernen mit Robotern ein inspirierendes, interaktives Abenteuer, das junge Menschen motiviert, über den Tellerrand hinauszuschauen.
Autor: Rico Puchegger (PH Graubünden) & Lucio Negrini (SUPSI)
16. April 2024
Zur Vertiefung
- Der Roboter «Turtle». Fotos der Roboter von Seymour Pappert
- Lichtmalerei mit Thymio: Originelle Figuren erstellen mit Robotik
- Spike Prime Programmierumgebung online
Spike Prime Unterrichtspläne für Lehrpersonen - Lehrplan21. Medien und Informatik. Didaktische Hinweise
- Physical Computing– Verbindung der physischen mit der virtuellen Welt
mia.phsz.ch/pub/Informatikdidaktik/PhysicalComputing/PhysicalComputing_PHSZ_DA_V2.0.pdf - www.roteco.ch – Eine Plattform für Lehrpersonen, mit Materialien und Informationen zu Robotik in der Schule
- Discover ist das «FIRST LEGO League»-Einstiegsprogramm für Kinder im Kindergartenalter
Explore ist das FIRST LEGO League Einstiegsprogramm für Kinder im Grundschulalter (6–10 Jahre)
First Lego League Challenge ist ein Forschungs- und Roboterwettbewerb für 9- bis 16-jährige / PHGR MINTmobil Giulia Giulia erzählt von der First Lego League Challenge - Das Lernmodul «Einblicke Informatik» geht in auf Aspekte der Robotik ein:
Einblicke Informatik / 4. Koordination / Praxisaufgabe 2a: Roboter steuern & Praxisaufgabe 2b: Der selbstständige Roboter
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