C9 | Aktive Medienarbeit in der Praxis – digibasics
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Prototyp zur Erprobung

C9 | Aktive Medienarbeit in der Praxis

Aktive Medienarbeit kann zunächst einschüchternd wirken, besonders wenn man selbst noch unsicher im Umgang mit der Technik ist oder nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat.

Hier sind einige häufig gestellte Fragen und praktische Tipps, wie du trotz dieser Herausforderungen erfolgreich medienpädagogische Projekte umsetzen kannst:

Was ist meine Rolle bei Unterrichtseinheiten, in welchen Schüler:innen selbst Medienbeiträge produzieren?

Als Lehrperson ermöglichst du den Schüler:innen durch eine geeignete Rahmung das freie, selbständige Arbeiten an ihren Medienbeiträgen. Dabei ist es wichtig, dass du gezielt Räume für experimentelles Erproben und Reflektieren schaffst und den Schüler:innen in ihrem Prozess unterstützend und beratend zur Seite stehst. Der Lernprozess der Schüler:innen steht dabei im Vordergrund. Schüler:innen sollen lernen selbst Entscheidungen zu treffen – als Lehrperson kannst du aber mit neuen Perspektiven anregen und es lohnt sich, dass du am konkreten Projekt medienpädagogisches Fachwissen vermittelst (z.B. Kameraperspektiven, Wirkung von Intonation und Geräuschen, …). 

Mit deinen eigenen Qualitätsansprüchen musst du behutsam umgehen. Wichtig ist, dass das Ergebnis das deiner Schüler:innen ist. Durch das gemeinsame Betrachten der Zwischenergebnisse (z.B. erster Entwurf Drehbuch oder erste Aufnahmen) schaffst du Momente des Austauschs und der Rückmeldung.  Du wirst schnell merken, dass du auch unter deinen Schüler:innen viele Expert:innen in diesem Bereich hast. Nutze diese Ressourcen in deiner Klasse, denn das gibt deinen Schüler:innen Selbstwirksamkeit.

Kann ich auch aktive Medienarbeit machen, wenn ich selbst nicht so bewandert und sicher bin im Umgang mit Computern, Tablets oder Schnittprogrammen? Ich traue mir das technisch nicht zu … 

Wenn du dich noch nicht so sicher fühlst, empfehle ich dir, erst einmal mit einem technisch wenig aufwändigen Projekt zu beginnen. Zum Beispiel mit einer Fotogeschichte oder einer kleinen Ton- oder Videoaufnahme, bei der ihr nichts schneiden müsst. Taste dich dann langsam an etwas aufwändigere Projekte heran und scheue dich nicht, dir Unterstützung zu holen.  

Ausserdem gibt es – je nach Klassenstufe – immer auch Schüler:innen, welche technisches Vorwissen mitbringen. Binde sie als Expertinnen und Experten in deinen Unterricht mit ein. 

Ich habe für meine Klasse nur fünf Tablets zur Verfügung. Kann ich damit überhaupt ein Projekt machen?

Ja, auch wenn du in deiner Klasse nur wenige Tablets habe, kannst du sehr gut medienpädagogische Projekte machen. Es ist gar nicht nötig, dass jeder Schüler und jede Schülerin ein eigenes Gerät hat. Denn es wird sowieso in der ganzen Klasse oder auch in Kleingruppen gearbeitet. Bei der aktiven Medienarbeit geht es besonders auch um den Austausch in der Gruppe. Alle Gruppenmitglieder entwickeln gemeinsam Ideen, machen die Aufnahmen und bearbeiten sie gemeinsam an einem Gerät.  
Und z.B. beim Filmen braucht es bei der Aufnahme sowieso immer mehrere Personen, die vor der Kamera bzw. hinter der Kamera stehen. Es braucht Verantwortliche für den Ton, die Regie und die Requisiten. Warum macht man das in Gruppen? Bei der Gruppenarbeit lernen die Beteiligten gemeinsam an einem Thema zu arbeiten, sich zu unterstützen, zu argumentieren und zu diskutieren. Der gemeinsame Prozess ist wichtiger Bestandteil der aktiven Medienarbeit. Deine Aufgabe ist es daher vor allem auch, die gruppendynamischen Prozesse zu begleiten. So lernen die Gruppen, ihre sozialen Kompetenzen zu schulen und lernen kennen, wie anregend und zielführend so eine gemeinsame Arbeit in der Gruppe an einem Thema sein kann. Und auch, dass man manches Mal gerade durch den Austausch mit anderen mehr erreichen kann, als wenn man alleine arbeitet. Also: keine Sorge, fünf Tablets reichen aus! 

Was kann ich machen, wenn nicht alle Kinder gefilmt werden wollen?

Dass Kinder und Jugendliche nicht fotografiert oder gefilmt werden wollen, kommt durchaus vor. Manche mögen es auch nicht, dass ihre Stimme bei einem Audioprojekt aufgenommen wird. Das ist verständlich und wichtig zu beachten, denn es gehört zu den Persönlichkeitsrechten eines jeden Menschen. Als Lehrperson musst du also beachten, dass die betroffenen Kinder Aufgaben hinter der Kamera oder dem Mikrofon übernehmen und nicht davor. Sie können zum Beispiel die Regie übernehmen, die Kamera führen oder für den Ton oder die Requisiten verantwortlich sein. Ich habe bei solchen Projekten auch gern eine Gruppe mit dem Making-Of beauftragt.  Die Making-Of-Gruppe hat die Aufgabe, den gesamten Entwicklungs-, Produktions- und Präsentationsprozess zu dokumentieren. Sie fotografieren oder filmen am Set oder machen Interviews zur Vorgehensweise. Diese Aufnahmen helfen der gesamten Klasse bei der vertiefenden Verarbeitung des Gelernten und bei der Erinnerung an die besondere Art der Teamarbeit in der Klasse. Die Mitarbeit im Making-Of-Team ist deshalb nicht zu verstehen als «Trostpflaster» für alle diejenigen, die nicht vor der Kamera zu sehen sein durften, sondern die Gruppe übernimmt eine wichtige Aufgabe im Team. 

Ich muss so viel Unterrichtsstoff durchbringen – da nimmt so ein Projekt doch viel zu viel Zeit weg?

Diese Bedenken habe ich öfter gehört und sie sind mit Blick auf unseren hoch anspruchsvollen Unterrichtsalltag auch total nachvollziehbar. 

Ich habe mit der Zeit gelernt, dass aktive Medienarbeit kein Extraaufwand sein muss – im Gegenteil. Aktive Medienarbeit eignet sich hervorragend dazu, unterschiedliche Kompetenzbereiche und Unterrichtsfächer zu verbinden. Ein Beispiel dafür findest du ja oben im Text. Ausserdem schafft der Einsatz von aktiver Medienarbeit methodische Vielfalt und wunderbare Möglichkeiten für eine natürliche Differenzierung. Und was meiner Erfahrung nach immer ein grosser Pluspunkt ist:  die Schülerinnen und Schüler sind bei aktiver Medienarbeit immer hoch motiviert dabei. Kein Wunder bei dem direkten Lebensweltbezug.  

Wie kann ich so ein Projekt überhaupt allein bewältigen? Ich allein mit der ganzen Klasse?

Die Hemmschwelle, ein Projekt mit aktiver Medienarbeit durchzuführen, ist am Anfang immer etwas hoch. Das ging mir auch so. Und tatsächlich muss so ein Projekt gut geplant werden. Denn nur eine gute Planung stellt sicher, dass die Schülerinnen und Schüler in einem gut gesteckten Rahmen viel Freiheit bei der Entwicklung ihrer Inhalte haben. Ausserdem schafft es dir als Lehrperson Sicherheit. Als Lehrperson musst du also den zeitlichen Rahmen für die verschiedenen Phasen des Projektes setzen und auch Zeiten für Reflexionsgespräche mit der Klasse oder mit einzelnen Kleingruppen einplanen. Ich habe zum Beispiel ein Filmprojekt durchgeführt. Da ist es natürlich wichtig, sich zuerst mit filmsprachlichen Mitteln – also Kameraperspektiven, Einstellungsgrössen, Wirkung von Musik und so weiter – auseinanderzusetzen, bevor die eigentliche Produktion losgeht. Auch das Erstellen eines Drehbuches als Planungsinstrument ist wichtig. Und das braucht Zeit. Oder die Einführung in den Filmschnitt. Da gibt es verschieden methodische Vorgehensweisen. Das Tolle ist, dass es für solche Projekte bereits viel Material und didaktische Handreichungen gibt. Ich habe mein Projekt auf unterschiedliche Tage, Lektionen und Fächer verteilt, damit ich mehr Zeit zur Verfügung hatte. 

Meine Klasse hat zum Beispiel ihre Geschichte im Fach Deutsch entwickelt. Die medialen Gestaltungsmittel haben wir im MI-Unterricht besprochen und damit experimentiert. Auch die Anwendungskompetenzen, die dann nötig sind, wie zum Beispiel das Aufnehmen und Schneiden. Das Storyboard und die Requisiten hat die Klasse dann im Bildnerischen Gestalten gemacht. In Musik haben sie sich überlegt, welche Art von Musik denn zu ihrer Geschichte passt, um sie spannend zu erzählen. Manche haben auch etwas Eigenes aufgenommen. Wir waren also wirklich fächerübergreifend unterwegs. 
Für die eigentliche Filmarbeit brauchten wir letztlich einen Tag.  Aber natürlich gibt es auch weniger komplexe Filmprojekte – wie z.B. einen Werbefilm gestalten oder so. Und Fotoprojekte lassen sich auch einfacher planen und durchführen.  
Bei welchem Projekt auch immer muss aber auf jedem Fall gezielt Zeit für die Reflexion eingeplant werden – und das nicht nur am Schluss des Projektes. 

Welche Tipps habt ihr für mich als Neuling, wenn ich so ein Projekt durchführen möchte?
  1. Setze einen angemessenen Rahmen für die inhaltliche Arbeit. Finde eine gute Balance zwischen dem Geben von Orientierung und Struktur einerseits und der Freiheit in der Gestaltung andererseits. Manchmal kann es sinnvoll sein, bestimmte Vorgaben zu machen, damit die Schüler:innen in dem Zeitrahmen wirklich ein Projekt sinnvoll abschliessen können. So kannst du z.B. einen Rahmen für die Anzahl der Szenen vorgeben oder eine Auswahl an Musik, aus der die Gruppen auswählen. Um kreativ zu werden, braucht es so manches Mal inhaltliche Anregung. Nutze die Kompetenzen der Schüler:innen der Klasse. Auch als Lehrperson musst du nicht alles es selbst können, Teamarbeit ist angesagt! Und in so mancher Klasse schlummern kleine technische Profis…  
  1. Überlege dir im Vorhinein genau, was deine wichtigsten Lernziele sind, das hilft dir bei der Planung und dabei, in einer komplexen Situation intuitiv zu entscheiden. Geht es dir in erster Linie um die Bearbeitung des Themas? Oder um das Erlernen der Arbeit im Team – also um soziale Kompetenz? Geht es um das Kennenlernen der Wirkung von Filmsprache und so weiter. 
  1. Plane Zwischenschritte ein, nach denen ihr jeweils den Stand der Arbeiten besprecht. Plane ausserdem Zeit für Veränderungen und Anpassungen ein. Geht zum Beispiel das Storyboard gemeinsam durch, bevor die Filmarbeiten begonnen werden. 
  1. Habe für deine eigene Sicherheit Ersatzmaterial dabei. Ein Ersatzakku oder ein zusätzliches Tablet zum Herumprobieren kann hilfreich sein, wenn es Schwierigkeiten gibt. Auch die Telefonnummer eures PICTS oder von jemand anderem, der oder die Unterstützung bietet, kann dir Sicherheit geben. Ausserdem ist es hilfreich, wenn du bei Bedarf Beispiele von Fotos, Filmszenen oder Hörproben dabei hast, um etwas Visuelles oder Auditives konkret erklären zu können.