#KünstlicheIntelligenz
Barrierefreie KI: Wirklich für alle?

Künstliche Intelligenz ermöglicht neue Assistenzsysteme und öffnet Türen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Sie kann aber zugleich neue Barrieren für die gleichberechtigte Bildung schaffen. Während einige Menschen von KI-Technologien profitieren, bleibt anderen der Zugang verwehrt, sei es aus finanziellen Gründen, durch fehlende technische Infrastruktur oder mangelnde digitale Kompetenzen. Wie barrierefrei sind KI-basierte Anwendungen und populäre KI-Apps?

KI-Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung
Bild: Adobe Stock

In Kürze zum Hören

KI-gestützte Bildungstechnologien für Menschen mit Beeinträchtigungen

Bildungstechnologien dienen Lernenden oft als pädagogische Werkzeuge – etwa zur Internetrecherche, zum Erstellen von Präsentationen und Texten oder als adaptive Hilfen bei Aufgaben wie Mathematikübungen. Für Lernende mit Beeinträchtigungen können Bildungstechnologien zusätzlich eine kompensierende Funktion übernehmen, zum Beispiel bei der Kommunikation oder der Rechtschreibprüfung.

Menschen mit Beeinträchtigungen müssen aber zusätzliche Hürden beim Zugang und in der Nutzung digitaler Technologien überwinden. KI kann eine Brücke schlagen, indem sie massgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Bedürfnisse bereitstellt, z. B. durch Sprachsteuerung oder personalisierte Bedienungshilfen. Künstliche Intelligenz bietet das Potenzial, Bildungstechnologien weiterzuentwickeln, indem sie Geräte intelligenter und individueller macht, insbesondere wenn diese von Lernenden mit Beeinträchtigungen als assistive Technologien genutzt werden, d.h. digitale Hilfsmittel wie Screenreader und Spracherkennungssoftware für den Computerzugang, aber auch spezialisierte Werkzeuge wie Braille-Zeilen für Sehbehinderte etc. (vgl. Schulz u. Schmidt-Meier 2024) (1)

KI für Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen

Für Personen mit komplexen Beeinträchtigungen bietet künstliche Intelligenz zahlreiche Möglichkeiten zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. So kommuniziert die Dozentin Kathrin Klappe an der Universität mit einem Sprachcomputer (2). Seit 2025 kann sie dank einer KI mit der Stimme einer Stimmpatin sprechen.

Der sprechbehinderte Nationalrat Islam Alijaj verfügt mithilfe einer KI-Assistenz (3) über eine Stimme, die keine Beeinträchtigung aufweist und wird so in der Breite der Bevölkerung verstanden.

«Es war ein emotionaler Moment, mich das erste Mal (fast) ohne Sprechbehinderung zu hören.» (Islam Alijaj)

Und die komplex beeinträchtige Referentin der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation, Nele Diercks, benutzt die KI gleich für mehrere Aufgaben: E-Mails schreiben, Vorträge entwickeln, Märchen erfinden, Ko-Konstruktion und Leichte Sprache. (4)

Menschen mit spezifischen Kommunikationsbeeinträchtigungen profitieren von zusätzlichen Erweiterungen. KI kann Sprache erzeugen, Texteingaben vorausschauend erleichtern, Bilder und Symbole verarbeiten, Gesten und Gesichtsausdrücke erkennen und übersetzen.  

KI-basierte assistive Technologien sind so in der Lage, die digitale Teilhabe zu erleichtern. Ein Podcast-Beitrag der BBC setzt sich genau mit diesem Aspekt auseinander und stellt die Frage, ob ChatGPT ein «Verbündeter (Ally) von Menschen mit Behinderung» sei. (5)

Was die Möglichkeiten des KI-Einsatzes in der inklusiven Bildung betrifft, wird noch wenig diskutiert, wie barrierefrei (und damit alltagstauglich) solche Anwendungen sind und inwieweit sie dem Anspruch auf Bildung gerecht werden.

Beim KI-Einsatz in der inklusiven Bildung wird noch wenig diskutiert, wie barrierefrei solche Anwendungen sind.

Nur weil Inhalte digital zur Verfügung gestellt werden, bedeutet keineswegs, dass diese auch für alle zugänglich sind.

Barrierefreiheit KI-basierter Anwendungen

Als internationaler Standard für die Barrierefreiheit im Internet strukturieren die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) (6) Barrierefreiheit entlang der Dimensionen Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit, Bedienbarkeit und Robustheit. Diese Systematik lässt sich gut auf die Beurteilung von KI-Anwendungen übertragen. Besonders deutlich wird dies bei den ersten drei Dimensionen.

Im Bereich der Wahrnehmbarkeit ist ein häufig genanntes Beispiel der automatische Vorschlag von sogenannten Alternativtexten für Bilder für blinde Personen bei Facebook oder Instagram. Eine KI generiert kurze Bildbeschreibungen, die Screenreader sehbeeinträchtigten Nutzenden vorlesen können. Damit wird das Zwei-Sinne-Prinzip eingelöst, wonach digitale Inhalte sowohl visuell als auch auditiv zugänglich sein sollen. Allerdings stossen diese KI-generierten Alternativtexte schnell an Grenzen: Sie sind oft oberflächlich, verfehlen Kontext und Emotion und erkennen Objekte nicht immer korrekt. Humor, Ironie oder Textinhalte in Bildern bleiben meist unberücksichtigt, und besonders für Social-Media-Formate wie Stories oder Reels gibt es bislang keine solchen Alternativtexte.

Die Dimension Verständlichkeit lässt sich am Beispiel des Tools «SUMM AI» (7) illustrieren, das komplexe Texte automatisch in Leichte Sprache übersetzt. Menschen mit Lernschwierigkeiten, Bildungsnachteilen, ältere Personen oder Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, können dadurch rasch und ortsunabhängig auf verständliche Informationen zugreifen. SUMM AI ist als Webtool, Plugin oder API verfügbar und erfordert somit keine zusätzliche Software. Die Plattform selbst berücksichtigt grundlegende Zugänglichkeitsprinzipien wie kontrastreiche Gestaltung, grosse Klickflächen und die Bedienung per Tastatur. Auch Screenreader werden unterstützt. Dennoch ist die tatsächliche Nutzbarkeit der Oberfläche im Einzelfall zu prüfen, da die Anforderungen an eine barrierefreie Nutzung sehr individuell sein können.

Bei der Dimension Bedienbarkeit lässt sich die App «Be My AI» (8) heranziehen. Sie basiert auf GPT-4 und ermöglicht blinden oder sehbeeinträchtigten Menschen, Bilder hochzuladen und detaillierte Beschreibungen zu erhalten. Im Unterschied zu bisherigen Lösungen lassen sich im Chat Rückfragen stellen und Umgebungen live beschreiben, was eine massgebliche Erweiterung darstellt. Die App ist vollständig mit Screenreadern wie VoiceOver oder TalkBack kompatibel, unterstützt grosse Schrift, Bildschirmvergrösserung sowie hohe Kontraste und gilt als besonders intuitiv bedienbar. Damit zeigt sich, wie KI-Anwendungen konkret zur besseren Bedienbarkeit digitaler Angebote beitragen können. Insgesamt wird deutlich, dass sich die Vorgaben der WCAG bezüglich Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit und Bedienbarkeit auch auf KI-Anwendungen übertragen lassen und damit eine verlässliche Grundlage zur Bewertung ihrer Barrierefreiheit bilden.

Ist KI ein Verbündeter von Menschen mit Beeinträchtigungen?

Zahlreiche Anwenderinnen und Anwender freuen sich über die Menge an KI-gestützen Assistenzsysteme. Künstliche Intelligenz kann ein Verbündeter, ein «Ally» (5) von Menschen mit Beeinträchtigungen sein. Die Forschung zur KI für Menschen mit (komplexen) Beeinträchtigungen befindet sich in einem dynamischen Entwicklungsprozess. Sie können die soziale Teilhabe und Ausdrucksmöglichkeiten für Nutzerinnen und Nutzer erweitern.

KI kann die Qualität der zwischenmenschlichen Interaktion deutlich verbessern, indem sie die soziale Teilhabe und Ausdrucksmöglichkeiten erweitern.

Dazu trägt die individualisierte Anpassbarkeit von KI-Systemen bei. Die Frage bleibt, ist Barrierefreiheit lediglich ein Aushängeschild oder hat sie für die Entwicklungsfirmen wirklich Priorität? (9)

Autor: Ingo Bosse, HfH

17.9.25

Zur Vertiefung

  1. Schulz u. Schmidt-Meier 2024: Assistive Technologien und Künstliche Intelligenz: Ein KI-Kompetenzmodell zum Einsatz im Klassenzimmer.
  2. Teilhabe durch KI: Neue Stimme für Dozentin der Universität zu Köln
  3. Islam Alijaj kann sprechen und durch seine neue KI-Assistenz seine politischen Inhalte transportieren: Post auf LinkedIn von Islam Alijaj
  4. Nele Dericks benutzt KI zum Schreiben von E-Mails u.a.m.
  5. Is ChatGPT a Disability Ally? BBC Sounds. Access All: Disability News and Mental Health.
  6. Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
  7. SUMM AI: KI-basiertes Tool, das komplizierten Text in Leichte und Einfache Sprache umwandelt.
  8. Be My AI: App zum Generieren von detaillierten Beschreibungen von Bildern.
  9. «Die KI ist gekommen, um zu bleiben.» (Krstoski u. Grandic 2025, 39).

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#KünstlicheIntelligenz
KI zwischen Lernhilfe und Lernfalle

KI kann heutzutage ja irgendwie alles: schreiben, rechnen, dichten, zeichnen. Aber kann uns generative KI auch beim Lernen helfen? – Zwischen Zeitdruck und Freizeitstress greifen viele Studierende zu Tools wie ChatGPT, beispielsweise um sich etwa lange Texte zusammenzufassen zu lassen. Doch dies birgt Risiken für das Lernen. Der Beitrag zeigt, warum blosses Delegieren an KI problematisch sein kann und wie KI stattdessen als virtueller Lerncoach genutzt werden kann, um echtes Verständnis zu fördern.

Studenten lernen mit der Unterstützung von KI
Bild: Adobe Stock

In Kürze zum Hören

Szene aus dem Alltag

Nehmen wir Jerome, Student im zweiten Semester. Seit einer Woche hat er den Auftrag, einen 40-seitigen, anspruchsvollen Fachtext – vollgepackt mit Fachbegriffen und Theorien – zu studieren. Die Diskussion darüber findet bereits morgen früh statt. Gleichzeitig blinkt sein Handy: «In einer Stunde Jam-Session im Bandraum – bist du dabei?»

Jerome lädt den Text kurzerhand in ChatGPT und promptet: «Stichwortartig zusammenfassen.» Nach zehn Minuten hat er die Antwort gelesen und denkt sich, dass er nun ungefähr gleich viel verstanden hat, wie wenn er den Text mühsam selbst gelesen hätte – klappt den Laptop zu, greift zur E-Gitarre und steht pünktlich im Bandraum.

Lernen delegiert – ein Klassiker des De-Skilling

Jeromes Vorgehen ist leider kein Best-Practice-Beispiel für das Lernen mit KI. Anstatt sich aktiv mit dem Inhalt auseinanderzusetzen, überträgt er die Aufgabe an das Tool. Studien zeigen, dass genau diese Form der Nutzung problematisch sein kann: Wird KI vor allem eingesetzt, um Aufgaben möglichst schnell zu «erledigen» oder auf direktem Weg Lösungen zu erhalten, bleiben vertiefte Lernprozesse oft aus (2)(3). Folgen können geringere Eigenaktivität, nachlassende Motivation und ein oberflächliches Verständnis der Inhalte sein.

So zeigt eine Studie, dass Personen beim Schreiben von Essays mit ChatGPT eine geringere neuronale Konnektivität aufweisen und sich Inhalte schlechter merken – ein Effekt, bei dem die Forschenden von einer Form der «metacognitive laziness» («metakognitiven Bequemlichkeit») sprechen, also der Auslagerung kognitiver und metakognitiver Aufgaben an die KI (1). Zwar kann der Einsatz von KI kurzfristig zu Leistungssteigerungen führen, doch in Prüfungssituationen ohne Tools fällt die Leistung deutlich geringer aus (2). Dieses Phänomen wird als «De-Skilling» bezeichnet: Werden Denkprozesse regelmässig an Maschinen ausgelagert, kann das langfristig zu einem Kompetenzabbau führen.

Der gleiche Fall – diesmal lernförderlicher

Dieselbe Situation bietet auch Potenzial für das Lernen mit KI – wenn Jerome die KI nicht als blosse Erledigungshilfe, sondern als «Lerncoach» oder als kritisches Gegenüber zur Reflexion und Weiterentwicklung eigener Ideen nutzt.

  1. Vollständigkeit prüfen
    Jerome lädt das Dokument hoch* und lässt den Text von der KI zusammenfassen. Diese Zusammenfassung gleicht er kritisch mit dem Originaltext ab, um sicherzugehen, dass alle zentralen Inhalte enthalten sind. Denn ihm ist bewusst: KI verfügt weder über inhaltliches Verständnis noch über ein Bewusstsein für Relevanz und Vollständigkeit.
    *Achtung: Nutzungsrecht prüfen – Uploads sind nur erlaubt, wenn die Urheberschaft des Textes damit einverstanden ist.
  2. Faktencheck anwenden
    Jerome weiss zudem, dass beim Einsatz solcher Tools inhaltliche Unschärfen oder Fehler auftreten können – sogenannte Halluzinationen. Sie klingen oft plausibel, sind aber inhaltlich ungenau oder falsch und aufgrund der formal überzeugenden Sprache schwer zu erkennen. Jerome vergleicht daher regelmässig Fakten aus den KI-Antworten mit der Websuche – mithilfe von zwei bis drei vertrauenswürdigen Quellen – und entwickelt eine Routine im kritischen Prüfen.
  3. Dialog statt Delegation
    Mit einem Prompt wie «Du bist mein Coach für selbstreguliertes Lernen. Beantworte meine Fragen auf Basis des hochgeladenen Texts.» nutzt er die KI nicht zur blossen Aufgabenerledigung, sondern als Lernbegleitung. Jerome kann nun gezielt nachfragen und sich Schritt für Schritt ein tieferes Verständnis erarbeiten: «Wie ist der dritte Punkt gemeint? Kannst du ein Praxisbeispiel liefern?» Oder: «In welchen anderen Texten wird dieser Fachbegriff verwendet?»
Screenshot aus ChatGPT: Prompt Lerncoach

Screenshot aus ChatGPT: Prompt Lerncoach

Diese Art der Nutzung gilt als besonders lernförderlich. Wenn Lernende aktiv mit der KI interagieren, Erklärungen anfordern, vertiefende Rückfragen stellen und die Inhalte reflektieren, wird das Verständnis nachweislich gestärkt (3).

Bild generiert mit Adobe Firefly. Mit dem Prompt «A fusion of a cute robot and an amplifier, standing on a school desk»

Bild generiert mit Adobe Firefly. Mit dem Prompt «A fusion of a cute robot and an amplifier, standing on a school desk»

KI als Verstärker

Einmal mehr passt in diesem Zusammenhang die Metapher von Jöran Muuss-Merholz: Digitale Medien sind mächtige Verstärker. Sie haben keine eigene Stossrichtung, sondern fungieren lediglich als Verstärker bestehender Tendenzen (4). Im Falle von KI heisst das: Wer sowieso gerne das Lernen abkürzt, findet mit KI eine noch schnellere Abkürzung. Wer dagegen bereits selbstreguliert lernt – sein Lernen plant, durchführt und reflektiert –, kann dies mithilfe einer KI noch gezielter tun und findet in dem Tool einen personalisierten Lerncoach. Wir von den Pädagogischen Hochschulen empfehlen die zweite Variante 😉.

Autorin: Stefanie Mauroux, PH FHNW

17.9.25

Zur Vertiefung

  1. Die Studie von Kosmyna et al. (2025) Your Brain on ChatGPT gibt Hinweise, dass die Nutzung von LLMs zu geringerer neuronaler Konnektivität und schwächerem Erinnerungsvermögen an die Inhalte führen kann.
  2. Bastani et al. (2024) Generative AI Can Harm Learning zeigen, dass KI kurzfristig die Leistung in der Übungsphase steigern kann, langfristig jedoch das Lernen schwächt, weil die aktive Auseinandersetzung fehlt.
  3. Die Studie von Lehmann et al. (2024) AI Meets the Classroom: When Do Large Language Models Harm Learning? kommt zum Ergebnis, dass Studierende profitieren, wenn LLMs als erklärende Tutoren genutzt werden; wird jedoch das Bearbeiten von Aufgaben passiv an die KI überlassen, schmälert dies den Lernerfolg.
  4. Die von Jöran Muuss-Merholz formulierte Verstärker-Metapher besagt, dass digitale Medien keine eigene Stossrichtung haben, sondern lediglich vorhandene Tendenzen verstärken

Die folgenden Beiträge zu Künstlicher Intelligenz sind bislang auf digibasics.ch erschienen:

https://digibasics.ch/lerntechtrends/chatgpt-im-klassenzimmer/
https://digibasics.ch/lerntechtrends/chatbot-als-persoenlicher-lernassistent/
https://digibasics.ch/lerntechtrends/bilder-generieren-statt-google-suche/

Eine empfehlenswerte kostenlose Plattform mit multimedialen Lerninhalten zu KI: https://ki-campus.org/

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#KünstlicheIntelligenz
Chatbot als persönlicher Lernassistent

Oft staunen Kinder, wenn Erwachsene von einer Zeit ohne Smartphones, iPads und soziale Medien erzählen. So wie Zehnjährige sich kaum eine Welt ohne technische Gadgets vorstellen können, halten es heute auch viele für undenkbar, irgendwann eine Maschine als kompetenten Diskussionspartner stets zur Seite zu haben. Mit dem Aufkommen intelligenter Bots sind wir aber bereits an diesem Punkt angelangt.

AI Chatbot
Bild: Adobe Stock

In Kürze zum Hören

Wo die Wurzeln liegen

Der Wunsch, mit einer Maschine zu kommunizieren, geht bereits auf die 50er- und 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Als Anfang gilt das im Jahr 1950 von Alan Turing entwickelte «Imitationsspiel» (später in Turing-Test unbenannt), in dem getestet wird, ob eine Maschine eine Testperson in schriftlicher Konversation bezüglich ihrer wahren Identität täuschen kann (1). Der Turing-Test ist nicht unumstritten (2), aber das Bestehen des Tests wird auch heute noch als Indiz für künstliche Intelligenz herangezogen.

Im Jahr 1966 entwickelte Joseph Weizenbaum am Massachusetts Institute of Technology (MIT) den ersten Chatbot namens ELIZA, der in Anlehnung an einen psychotherapeutischen Frage-Antwort-Dialog ein Gespräch simulierte (3)

Seitdem haben sich Chatbots zu Konversationsagenten und Assistenten weiterentwickelt, die Menschen binnen Sekunden Informationen liefern, Fragen beantworten und beim Verfassen von Texten unterstützen. Eine kürzlich in Science veröffentlichte Studie (4) zeigt, dass Chatbots sogar in der Lage sind, hartnäckige Gesprächspartner durch schlagkräftige Argumente eher zu überzeugen, ihre Meinung zu ändern, als es menschliche Diskussionspartner können.

Was ist ein Chatbot?

Ein Chatbot ist ein Programm, das mit Nutzerinnen und Nutzern
per Text oder Sprache interagiert. Dank der Fähigkeit, natürliche Gespräche zu simulieren, gewinnen Chatbots auch im Bildungsbereich an Bedeutung und Beliebtheit.

Chatbots werden als Lernagenten eingesetzt, um Studierende im Lernen zu unterstützen.

Bildungs-Chatbots übernehmen dabei vielseitige Aufgaben und Rollen: Sie unterstützen Studienanwärter:innen im Aufnahmeprozess oder bei der Beantwortung häufig gestellter Fragen. Immer öfter werden Chatbots zudem als Lehr- und Lernagenten eingesetzt, um die Arbeitslast von Lehrkräften zu reduzieren, Informationen zu beschaffen, und Studierende im Lernen gezielt zu unterstützen.

Persönlicher Lernagent: Wie funktioniert das?

Als Lehr- und Lernagenten haben Chatbots im Klassenzimmer, besonders in den Bereichen Informatik, Sprach- und Allgemeinbildung grosse Akzeptanz gewonnen.
Der Scratch-Chatbot (5) wurde entwickelt, um dem Mangel an Informatik-Lehrkräften mit Scratch-Programmierkenntnissen entgegenzuwirken.

Der Chatbot unterstützt Lernende bei der Lösung von Programmieraufgaben, indem sein Algorithmus basierend auf Stärken und Schwächen der Lernenden personalisierte Lernhinweise und Übungen vorschlägt.

Screenshots von ScratChatbot-Bedienoberflächen

ScratChatbot-Bedienoberflächen

Auch beim Sprachenlernen zeigen Chatbots viel Potenzial. Sie unterstützen Studierende dabei, ihre Sprech-, Hör-, Lese- und Schreibfähigkeiten zu verbessern.

Zum Beispiel kann der Chatbot BookBuddy (6), ein personalisierter Lesebegleiter für Kinder, beliebiges Lesematerial in eine interaktive, gesprächsbasierte Englischstunde verwandeln und den Kindern basierend auf Geschlecht und Interessen gezielte Lektüreempfehlungen geben.

Screenshot der BookBuddy-Chatbot-Bedienoberfläche.

Der Chatbot stellt dem Kind Fragen zum Buch Oh, Raccoon.

Der wohl bekannteste Sprachlern-Chatbot ist derjenige von Duolingo (7), der mit emotionalen Reaktionen und motivierenden Nachrichten zum Weitermachen anspornt.

Dank der integrierten OpenAI-Technologie GPT-4 können Lernende mit dem Chatbot interagieren und sich Fehler erklären lassen. Mit der neuen «Rollenspiel»-Funktion haben sie die Möglichkeit, ihre Konversationsfähigkeiten in realistischen Szenarien mit ausgewählten Charakteren zu üben.

Lernende können zum Beispiel mit Lin über Urlaubspläne sprechen, in einem Pariser Café einen Kaffee bestellen oder mit dem Charakter Eddy Möbel einkaufen.

Jede Unterhaltung mit dem Chatbot ist so einzigartig wie mit einem echten Gesprächspartner. Am Ende erhalten die Lernenden von Duolingo ein personalisiertes Feedback bezüglich Richtigkeit und Komplexität ihrer Antworten sowie Tipps für künftige Gespräche.

Screenshot von Duolingo Rollenspiel mit einem Bot Feedback

Duolingo Rollenspiel mit einem Bot Feedback

digibot als motivationaler Agent

Lernmotivation ist ein zentraler Faktor und beim Online-Lernen nicht einfach zu vermitteln. Um sie zu steigern, nutzen einige Chatbots Gamification-Elemente, zum Beispiel Belohnungen in Form von Punkten und Abzeichen.

Zudem können Chatbots die Motivation und das Engagement beim Online-Lernen durch die Strategien der Selbstreflexion und Selbstbewertung fördern.

Der digibot motiviert die Lernenden, sich intensiver mit den Lerninhalten auf digibasics.ch auseinanderzusetzen.

Basierend auf der kognitiven Selbstregulationstheorie haben die Autor:innen von digibasics den regelbasierten Chatbot digibot (5) für die Lernumgebung entwickelt, um das selbstgesteuerte Lernen zu unterstützen.

digibot von digibasics

digibot lädt die Nutzerin oder den Nutzer zur Interaktion ein.

Der regelbasierte (d. h. derzeit ohne künstliche Intelligenz funktionierende) digibot ist ein interaktives Selbstreflexions- und Selbstbewertungstool, das die Lernenden dazu anregt, über ihre Erfahrungen und ihr Interesse an digitalen Kompetenzen nachzudenken.

Der digibot motiviert die Lernenden, sich Lernziele zu setzen und sich intensiver mit den Lerninhalten auf digibasics.ch auseinanderzusetzen. Starten Sie Ihre Konversation mit digibot direkt hier: www.digibasics.ch. Weitere Details zum digibot finden Sie hier: (8)

Forschung gefordert

Obwohl immer mehr wissenschaftliche Studien die positiven Effekte von Chatbots auf das Lernen belegen (9), bleibt in der Forschung noch viel zu tun. Risiken und Auswirkungen von Chatbots müssen weiterhin gründlich untersucht werden, um das Potenzial von Chatbots im Bildungsbereich optimal zu nutzen.  

In einem aktuellen Fall aus den USA hat ein Kunde eines Autohändlers bemerkt, dass deren Chatbot auf ChatGPT basierte und diesen mit einem Trick dazu gebracht, ihm ein Auto für einen Dollar zu verkaufen. Obwohl rechtlich nicht bindend, zeigt dieses Beispiel auf, dass Chatbots auch ihre Grenzen haben und ein Einsatz wohlüberlegt sein muss. Die Antworten von Chatbots klingen zwar oft formal plausibel, sind inhaltlich jedoch häufig falsch – ein Phänomen, das als «Halluzinieren» bezeichnet wird. 

Die Risiken und Auswirkungen von Chatbots müssen weiterhin gründlich untersucht werden.

Generell muss man sich dessen bewusst sein, dass innovative Technologien Lücken aufweisen und für Missbrauch anfällig sind. Eines ist jedoch sicher: Der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und künftige Neuerungen werden auch die Entwicklung von Chatbots weiter vorantreiben.

AI-Disclaimer

Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung von MAXQDA, einer Software für die Analyse qualitativer Daten, verfasst (10). Die Autoren interagierten dabei mit dem integrierten Chatbot der MAXQDA AI Assist Funktion, um sich über die ausgewählte Literatur zu Chatbots im Bildungsbereich auszutauschen. Dieser Artikel ist somit auch ein Produkt der kritischen Interaktion der Autoren mit dem intelligenten Chatbot.

Autoren: Victoria Mirata (FFHS), Christof Imhof (FFHS)

6.1.25

Zur Vertiefung

  1. Computing Machinery and Intelligence/ Können Maschinen denken? Link: Turing, Alan M.: Computing Machinery and Intelligence / Können Maschinen denken? | Reclam Verlag
  2. Minds, brains, and programs. Link: https://doi.org/10.1017/S0140525X00005756
  3. Eliza: Link https://www.med-ai.com/models/eliza.html.de
  4. Durably reducing conspiracy beliefs through dialogues with AI. Link: DOI: 10.1126/science.adq1814
  5. ScratchThAI:  https://doi.org/10.1007/s10639-021-10870-z
  6. Bookbuddy: Link: https://doi.org/10.1145/3330430.3333643
  7. Duolingo: Link: Duolingo Max Uses OpenAI’s GPT-4 For New Learning Features
  8. Digibot as a motivational self-reflection tool. Link:  https://doi.org/10.21125/edulearn.2024.1573
  9. Generative AI chatbots in higher education Link:  https://doi.org/10.1007/s10734-024-01288-w
  10. Qualitative Datenanalyse mit MAXQDA. MAXQDA | Official Site | All-In-One Tool for Qualitative Data Analysis

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#KünstlicheIntelligenz
Wie ich KI meine Stimme gab

Hilfe, ich werde ersetzt! Oder werde ich entlastet? Ich mache einen Selbstversuch mit einem KI-Sprachtool. Ich, Medienproduzent und ausgebildeter Sprecher mit Schwerpunkt Video- und Audioproduktion, werde mich in die Tiefen der KI-generierten Stimmen begeben. Ich will herausfinden, ob KI meine Profession in Bedrängnis bringt oder mich von unliebsamen Aufgaben befreit.

Tonstudio PH Zürich
Bild: Oliver Müller, PHZH

In Kürze zum Hören

Jahrzehntelang klangen generierte Stimmen wie der Sprachcomputer von Stephen Hawkins oder die Systemsprachausgabe «Anna» von Apple. Aber seit die KI-Tools wie Pilze aus dem Boden schiessen, sind auch in diesem Bereich grosse Fortschritte erzielt worden. Ich teste ein KI-Sprachtool, das von ElevenLabs (1) entwickelt wurde. ElevenLabs deshalb, weil das Tool neben einer Vielzahl an bereitgestellten Stimmen auch «Voice Cloning» (2) anbietet. D.h. der Klang meiner Stimme kann nachgebildet und wiedergegeben werden (3).

Stimme mit Apple-Sprachausgabe «Anna»

Stimmen generieren leicht gemacht

Zwei Optionen stehen zur Auswahl: Instant Voice Cloning und Professional Voice Cloning. Ich will schnellstmöglich ein Resultat, deshalb nehme ich «Instant Voice Cloning». Alles, was ich tun muss: ein Audiofile mit meiner Stimme hochladen und ein wenig warten. Eine Stunde später kehre ich zur Webseite zurück, «meine» Stimme ist bereit für den Einsatz.

Weil ich grad Freude an KI habe, lasse ich ChatGPT ein poetisches Textlein kreieren: «Der Frühling brachte eine sanfte Brise und die Blüten begannen, in prächtigen Farben zu erstrahlen. Während die Sonne höher am Himmel stand, erwachten die Vögel mit fröhlichem Gesang und erfüllten die Luft mit ihrem Zwitschern».

In der Welt von ChatGPT erwachen die Vögel erst wenn die Sonne hoch steht. – Egal, ich kopiere die Binärcode-Poesie ins Textfeld und klicke auf «Generate Speech». Vier Sekunden später erklingt meine digitale Stimme aus dem Lautsprecher. Faszinierend und befremdlich zugleich: Ich stamme sprachlich nicht mehr aus Zürich, sondern aus Norddeutschland. In meinem Kopf erscheint ein Bild von mir: Mit vollem Bart, Tabakpfeife und Wollmütze und steuere einen Kahn durch den Hamburger Hafen. Moin moin.

Ich verlasse mein stereotypisches Gedankenspielchen und höre mir die Aufnahme nochmals an. Hm, so ganz überzeugt mich das Ergebnis nicht. Es vermag zwar den Klang meiner Stimme zu imitieren, aber Aussprache, Rhythmik und Idiom sind verfälscht.

In Anbetracht dessen, dass so etwas bis vor Kurzem nicht oder nur mit enormem Aufwand möglich war, sind wir hier doch schon im Si-Fi-Zeitalter. Man denke an Terminator 2: «Your foster parents are dead.»

Stimme mit Elevenlabs «Instant Voice Cloning»

Es geht auch professioneller

Ich teste die zweite Option «Professional Voice Cloning». Damit ElevenLabs meine Stimme synthetisieren kann, müssen diesmal mindestens drei Stunden Sprachmaterial bereitgestellt werden, besser sind fünf (!). Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich The Lord oft he Rings in ein Mikrofon einsprechen … Glücklicherweise existieren bereits viele Sprachaufnahmen von mir, die ich aus dem Archiv holen kann. Ich lade vier Stunden Audiomaterial hoch und nenne meine digitale Stimmkopie «AIoli». Meine Stimme wird nun mit Deep Learning synthetisiert. Ab jetzt beginnt die Warterei. Elevenlabs stellt das Ergebnis in etwa vier Wochen in Aussicht. Es werden zehn …

Was aus meinem Lautsprecher erklingt, haut mich um. Das bin wirklich ich! Ein metaphysisches Gruseln überkommt mich.

Dann die E-Mail von Elevenlabs: «Ihre Stimme ist bereit.» Ich kann es kaum erwarten! KI-Poesie ins Textfeld und Go. Was aus meinem Lautsprecher erklingt, haut mich um. Das bin wirklich ich! Ein metaphysisches Gruseln überkommt mich. – Alles, was ich noch an der einfachen Version kritisiert hatte, ist nun (erschreckend) gut umgesetzt. Was mich vor allem beeindruckt: Der Schweizer Akzent im Hochdeutschen ist klar erkennbar. Ich bin begeistert und gegruselt. Ich werde neue Bereiche der Resilienz aufbauen müssen …

Stimme mit Elevenlabs «Professional Voice Cloning»

Originale (humane) Stimme des Sprechers (und Autors) Oliver Müller – Text KI-generiertes Gedicht.

Ende der Fahnenstange?

Wird mich KI ersetzen? Sind meine Zeiten als Sprecher bald vorbei? – Nun, ich sehe es eher als Entlastung und als Chance zur Weiterentwicklung meiner Professionalität. Ich kann mich auf anspruchsvolle Sprechaufträge in Medienproduktionen von Dauer konzentrieren. Und irgendwie spornt mich die Konkurrenz der KI-generierten Stimmen auch an, meine eigene Sprechkompetenz weiterzuentwickeln.

Der Bedarf an Humanstimmen für einfache Medienproduktionen wird wohl zurückgehen, dies könnte zum Problem für Sprecher:innen werden, welche ihr Geld hauptsächlich mit Sprechaufträgen verdienen. Trotzdem, professionelle Humanstimmen werden in absehbarer Zeit weiterhin gefragt sein. Die Tonalität der generierten Texte ist zwar gut, aber jede Aufnahme tönt ähnlich. Die Einstellmöglichkeiten für die Emotionalität sind sehr begrenzt. Für ein Hörspiel zum Beispiel sind sie untauglich.

Was beim intensiven Testen ebenfalls auffällt: Manche Wörter werden teilweise falsch ausgesprochen. Ich teste weiter und plage meinen Sprachzwilling mit einem Text, der mit Helvetismen gespickt ist: «Ich fahre mit dem Zug von Luzern nach Aarau mit dem Halbtax und einem Sparbillett. Dort treffe ich Beat Zgraggen. Ich will ihm eine Garette, eine Gelte und einen Harass abkaufen. Er zügelt und muss ausmisten. Auf der Höhe Ebikon ruf ich ihn auf dem Natel an. Er sitzt gern in der Beiz oder im Bahnhofsbuffet. Vor allem bei der Metzgete, da nimmt er auch gerne einen Pflümli zum Apéro.» Hier hat es deutlich «Luft nach oben».

Die Stimme mit Elevenlabs «Professional Voice Cloning» kämpft sich durch Helvetismen.
Originale (humane) Stimme des Sprechers (und Autors) Oliver Müller – Text mit Helvetismen.

Wohin führt das?

Mit einer Zukunftsprognose bin ich zurückhaltend. Oft projizieren wir gegenwärtige Begeisterung oder Befürchtungen in die Zukunft, woraus falsche Prognosen entstehen können. Dennoch: Die KI-basierte Sprachausgabe ist ein bedeutender Fortschritt, Veränderungen sind sehr wahrscheinlich. So hat zum Beispiel die Funktion «Text to Speech» grosses Potenzial und sie wird bereits eingesetzt, etwa zum Vorlesen von Zeitungsartikeln. KI-generierte Stimmen sind kostengünstig und schneller produziert. Vieles wird daher in Zukunft wahrscheinlich durch eine KI erledigt.

Wem gehört die Stimme? Ähnlich wie bei geistigen Schöpfungen stellen sich rechtliche und ethische Fragen.

Wo ich meine KI-generierte Stimme bestimmt einsetzen werde: Bei einfachen Erklärvideos oder Reportagen mit wenigen Off-Stimmen. Dies ermöglicht meinen Kollegen in der Medienproduktion, «mich zu verwenden», ohne mich zu behelligen. Win-Win, irgendwie, oder?

Eine zentrale Frage wird zu klären sein: Wem gehört die Stimme? Ähnlich wie bei geistigen Schöpfungen stellen sich rechtliche und ethische Fragen, wie dieses Beispiel zeigt: Hollywood-Star Scarlett Johansson verlangt von OpenAI Aufklärung darüber, warum eine von ChatGPT verwendete KI-Stimme ihrer eigenen verblüffend ähnelt (4).

Was mich betrifft. Ich bleibe entspannt und bin zuversichtlich, dass ich auch in Zukunft spannende Sprechaufträge ausführen darf.

Autor: Oliver Müller, Multimedia-Produzent PHZH

15.12.2024

Zur Vertiefung

  1. Elevenlabs – Text-to-Speech AI-Tool
  2. Elevenlabs Voice Cloning
  3. Wikipedia Sprachsynthese – was ist das
  4. Watson Newsartikel ChatGPT-Stimme: Scarlett Johansson schaltet ihre Anwälte gegen OpenAI ein

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#KünstlicheIntelligenz
Maschinelle Übersetzung: Ende des Sprachenlernens?

Von der Geschäftskorrespondenz bis zur Liebeserklärung wird heute alles blitzschnell, mit Hilfe von KI übersetzt. Es ist normal geworden, fremdsprachige Webseiten und Artikel mit einem Klick in der eigenen Sprache lesbar zu machen. Dafür gibt es eine Fülle von Übersetzungs-Apps wie DeepL (1) oder Google Translate (2), um nur die bekanntesten zu nennen. Tools, wie wir sie bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kannten, sind Wirklichkeit geworden. Die Verfügbarkeit von Übersetzungstools wirft für die Schule Fragen auf, ob und auf welche Weise solche Tools sinnvoll in den Unterricht integriert werden können und wie sie den Fremdsprachenunterricht verändern.

Foto: Adobe Stock

In Kürze zum Hören

Die Entwicklung von Übersetzungstools läuft rasend schnell. Befeuert durch künstliche Intelligenz gibt es bereits Dienste, die neben Text und Audio auch Videobotschaften übersetzen und authentische Videos von Personen erstellen, die sogar lippensynchron in der gewünschten Sprache sprechen. (3) Doch auf welchen Technologien basieren diese Tools und sind die maschinellen Übersetzungen in jeder Beziehung verlässlich?

Wie neuronale Netze die Übersetzung revolutionieren

Die erste Generation maschineller Übersetzung stützte sich auf Statistiken, die neue Generation setzt auf künstliche Intelligenz (KI). Diese Übersetzungssysteme verwenden «Large Language Models» (LLMs), die auf künstlichen neuronalen Netzen basieren und mit riesigen Datenmengen trainiert werden. LLMs berücksichtigen den ganzen Text und nicht nur die letzten Worte, um die passende Übersetzung zu finden. Durch ihre besondere Fähigkeit, Kontext und Bedeutung zu erfassen und zu verarbeiten, liefern neuronale Netze deutlich bessere Übersetzungen. Diese lesen sich natürlicher und flüssiger und kommen näher an menschliche Übersetzungen heran als Übersetzungen basierend auf statistikbasierten Systemen.

Die maschinelle Übersetzung hat inzwischen eine derart hohe Qualität erreicht, dass viele Übersetzungsbüros sie einsetzen, um ihre Arbeit zu beschleunigen. Auch im digibasics-Projekt wird maschinelle Übersetzung erfolgreich eingesetzt. Dennoch ist es weiterhin notwendig, dass ein Mensch die generierten Ergebnisse überprüft und nachbearbeitet, um beispielsweise die Fachsprache anzupassen oder nicht adäquate Formulierungen zu eliminieren.

Die maschinelle Übersetzung ist so gut, dass die meisten Übersetzungsagenturen sie einsetzen, um ihre Arbeit zu beschleunigen. Wir verwenden diese auch bei digibasics.

Wo die Maschine noch versagt

Ein Problem bei maschinellen Übersetzungssystemen ist die Übernahme von Stereotypen und Vorurteilen aus den Trainingsdaten. Neuronale Netze lernen aus einem Textkorpus, und diese Texte können gesellschaftliche Vorurteile, Ungleichheiten sowie unzureichende oder gar irreführende Darstellungen der Realität widerspiegeln. Dies lässt sich gut an der Übersetzung von Berufsbezeichnungen aus dem Englischen veranschaulichen. Im Englischen ist das Geschlecht bei Berufsbezeichnungen meist nicht angegeben, während im Deutschen eine männliche und eine weibliche Form existiert. Bei der Übersetzung solcher Begriffe reproduzieren maschinelle Systeme häufig Geschlechterstereotype, etwa wenn nurse einfach mit «Krankenschwester» oder engineer mit «Ingenieur» wiedergegeben wird. Der digibasics-Beitrag «Bilder generieren statt Google-Suche» thematisiert diese Problematik eingehend. (4)

the nurse, the dancer werden in die Krankenschwester, die Tänzerin versus the professor, doctor, architect werden in der Professor, Arzt, Architekt übersetzt

Bild: DeepL Geschlechterstereotype

Das Beispiel DeepL

Im Jahr 2017 ging der Kölner Übersetzerdienst DeepL online und machte bald Schlagzeilen, weil er in Blindtests bessere Resultate lieferte als die Konkurrenten von Google und Microsoft. (7) Mit der kostenlosen Version als App für iOS und Android, MacOS oder Windows können kürzere Texte auf einfache Weise übersetzt, und mit «DeepL Write» können die Rechtschreibung und der Schreibstil optimiert werden. Die kostenpflichtige Version von DeepL bietet zusätzliche Vorteile: Man kann unbegrenzt lange Texte und ganze Dokumente in verschiedenen Formaten (.docx, .pdf, pptx) hochladen und in Sekunden übersetzen lassen, was Zeit und Aufwand spart. Bei der kostenpflichtigen Version von DeepL Write kann zudem der Schreibstil gewählt werden (einfach, geschäftlich, akademisch).

AI und Übersetzungen in der Schule

Die Kollegen der Pädagogischen Hochschule im Tessin, die SUPSI Locarno, erwähnen in ihrem Beitrag in Italienisch (5) die Publikation Maschinelle Übersetzungstools im Fremdsprachenunterricht von Alloatti und Montemarano (6). Darin schlagen die Autorinnen Unterrichtsaktivitäten mit Nutzung von Übersetzungstools vor, beispielsweise werden die Lernenden mit der Übersetzung von Witzen oder humorvollen Texten konfrontiert und müssen beurteilen, ob das Übersetzungstool den Witz übersetzen kann und wo respektive wie Fehler entstehen.

Wo wohnen Katzen? Im Miez-Haus. DeepL-Übersetzung: Where do cats live? In the kitty house.

Bild: Deepl-Übersetzung eines Witzes

Ist es noch nötig, eine Sprache zu lernen?

Auch wenn automatische Übersetzungstools heute noch Einschränkungen besitzen, können wir uns vorstellen, dass sie noch besser werden und alltägliche Übersetzungsaufgaben (Nachrichten, Wettervorhersagen, Touristeninformationen, Geschäftsbriefe usw.) vermehrt von Maschinen übernommen werden. Wie können wir Schüler:innen dazu motivieren, sich mit Fremdsprachen zu beschäftigen? Und ist es überhaupt noch nötig, eine Fremdsprache zu erlernen, oder wird dies eine veraltete Fähigkeit sein, die nur noch Linguist:innen vorbehalten ist?

Vielleicht führt die Verbreitung von automatischen Übersetzungstools dazu, die kulturelle und identitätsstiftende Dimension des Zweitspracherwerbs wieder neu zu entdecken.

Eine Sprache zu lernen bedeutet auch, eine andere Kultur «von innen» kennenzulernen, die Welt mit anderen Augen zu sehen, sich selbst in einem neuen Licht zu betrachten. Vielleicht führt die Verbreitung von automatischen Übersetzungstools dazu, die kulturelle und identitätsstiftende Dimension des Zweitspracherwerbs wieder neu zu entdecken.

Autoren: Miriano Romualdi (SUPSI), David Gavin (PHZH)

25.06.2024

Zur Vertiefung

  1. DeepL
  2. Google Translate
  3. HeyGen – Videoerstellung mit KI
  4. digibasics-Beitrag «Bilder generieren statt Google-Suche»
  5. digibasics-Beitrag «IA e traduzione automatica: fino a dove?»
  6. Sara Alloatti und Letizia Martini. Maschinelle Übersetzungstools im Fremdsprachenunterricht (2021). Mit Unterrichtsbeispielen für das Fach Italienisch
  7. «Warum KI-Übersetzer so gut funktionieren» (Der Beitrag datiert vom Januar 2022. Die im Abschnitt «Wo die Maschine noch scheitert» erwähnten Einschränkungen sind seither weitestgehend überholt.)
     

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#KünstlicheIntelligenz
Bilder generieren statt Google-Suche

Suchst du ein passendes Bild für deine Präsentation? Möchtest du einen Blogbeitrag illustrieren? Oder einfach prokrastinieren und etwas Neues ausprobieren? Mit KI-basierten Bildgeneratoren wie Midjourney ist all das möglich. – Noch nie war es so einfach, mittels Text-to-Image-Tools Bilder für ganz unterschiedliche Zwecke zu kreieren. Es gibt also gute Gründe, KI und Bildgeneratoren in der Schule zum Thema zu machen. 

Foto: Midjourney

In Kürze zum Hören

Wie funktioniert das? 

Um ein Text-to-Image-Tool zu nutzen, gebe ich als User eine sprachliche Anweisung (einen sogenannten «Prompt») ein und erhalte wenige Augenblicke später ein Bild. An diesem Prompt feile ich so lange, bis ich mit dem generierten Bild zufrieden bin. Dabei kann ich unterschiedliche Parameter vorgeben, also sehr genau mitteilen, was ich möchte: Bildformat, Stil, Perspektive, Farbstimmung und vieles mehr. Für Tipps zu den ersten Schritten und verfügbaren Parametern siehe «Zur Vertiefung» unten. (1) 

Text-to-Image-Tools verwenden ein «grosses Sprachmodell», ein sogenanntes Large Language Model (LLM), um Bilder aus sprachlichen Anweisungen zu generieren. Das LLM wird anhand eines riesigen Datensatzes von Texten und Bildern trainiert, damit das Sprachmodell die Bedeutung der Texteingaben «versteht» und Bilder generiert, die zu diesen Bedeutungen passen. 

Das Large Language Model der Bildgeneratoren ist mit Daten von Menschen gefüttert und trainiert worden und kann somit typische gesellschaftliche Verzerrungen aufweisen.

Leg los!

Du hast es noch nie versucht? Ein niederschwelliger Einstieg könnte zum Beispiel Bing Image Creator sein. Log dich mit deinem Microsoft-365-Account ein und generiere einige Bilder deiner Wahl. Es lassen sich selbstverständlich auch andere Bildgeneratoren verwenden. Hier eine unvollständige Auswahl: 

  • Midjourney (Damit wurden die Beispiele in diesem Beitrag erstellt.) 
  • Dall-E (OpenAI) 
  • Stable Diffusion 
  • Adobe Firefly 
  • Fobizz KI-Tools 
  • Copilot (bald in Microsoft-365 integriert / Vor der Nutzung von Microsoft Copilot mit Lernenden werden wohl vorher etwelche datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden müssen) 

Das KI-Konzept mit Studierenden visualisieren  

Inspiriert von Neele Hirsch (siehe «Zur Vertiefung» unten; 2.) hat Andi Brugger (PHSH) mit Studierenden der PH Schaffhausen im Herbst 2023 abstrakte Sachverhalte visualisiert. Ausgehend von der Frage «Wie stellst du dir eine KI vor?» formulierten die Studierenden in Tandems Prompts für Midjourney. Das gemeinsame Nachdenken über Vorstellungen zu KI diente der Reflexion.  

Eine gewisse «Prompt-Engineering-Kompetenz» ist nötig. Also die Kompetenz, zielführende sprachliche Anweisungen zu verfassen.

In einem weiteren Schritt verglichen die Studierenden die erhaltenen Bilder mit ihren eigenen Vorstellungen, verfeinerten die Prompts und liessen sich neue Bilder generieren. Es war eindrücklich zu sehen, dass sich auf diese Weise abstrakte Themen visualisieren liessen. Die Übung zeigt, dass Bilder nach der ersten Eingabe oft noch nicht brauchbar sind, da sie noch nicht dem inneren Vorstellungsbild entsprechen. Es braucht daher einiges an Prompt-Arbeit, um wirklich passende Bilder erzeugen zu lassen. So kann ein Beitrag zur Entwicklung gewisser Fertigkeiten beim Formulieren von Prompts («Prompt-Engineering-Kompetenz») geleistet werden. 

Prompt: A large interconnected flowchart, linked within a huge network, It processes vast amounts of data in a short time, digital art –ar 1:1 / Quelle: Midjourney

Prompt: AI as a fly agaric mushroom in a magical forest, with fog on the ground, the many mycelia in the soil flash and sparkle like cables, through which knowledge zips back and forth, digital art –ar 1:1 / Quelle: Midjourney

Prompt: Various connected giant servers with blinking lights, many cables, humming and buzzing like a semi-living monster, ultra realistic –ar 1:1 / Quelle: Midjourney

Prompt: A computer with a brain does all the work while an overweight worker sleeps in a chair with snacks in his arms, evokes laugher, digital art –ar 1:1 / Quelle: Midjourney

Kritisches Denken und kreatives Gestalten mit KI 

Von der Visualisierung von Glaubenssätzen und Konzepten bis hin zur Illustration eigener Webseiten bietet KI eine grosse Palette an Möglichkeiten der Auseinandersetzung. So können die Lernenden versuchen, abstrakte Konzepte oder Sachverhalte zu visualisieren, wie oben im Beispiel beschrieben. Lernende können auch eigene Bilder erstellen, die ihre Interpretation eines Themas widerspiegeln und kritische Denkfähigkeiten sowie kreative Problemlösungskompetenzen weiterentwickeln. Ganz wichtig dabei sind das Gespräch und der gemeinsame kritische Austausch über die Bilder. 

In der Praxis hat es sich schon als hilfreich erwiesen, Methoden zu visualisieren und anhand eines Bildes mit einer Lerngruppe rascher ins Machen zu kommen. Weiter können Symbolbilder, Visualisierungen oder Illustrationen für eigene Präsentationen, Geschichten und (Lern-)Produkte aller Art verwendet werden. Auch die Kreation von Wimmelbildern ist möglich. Man denkt gemeinsam mit den Lernenden darüber nach, was ein typisches Wimmelbuch ausmacht und welchen Stil man anstrebt. Zuletzt sind auch reine Spassbilder denkbar, weil es schlicht ganz viel Freude macht. Siehe KI-generierte Bilder, die im Rahmen einer KI-Kunst-Woche entstanden sind: «Zur Vertiefung» (3). 

Prompt: symbol for deep learning and focus, alpha waves, evokes flow, evokes happiness, integrate music of some sort, icon art, digital art –ar 1:1 / Quelle: Midjourney

Prompt: Erstelle ein sehr detailliertes Wimmelbild mit vielen Szenen Kuchen anschneiden, Federball spielen, Fussball spielen, Puzzle spielen, Ballone steigen lassen, baden nur Tiere, keine Menschen alles im Kinderbuch-Stil Thema: Geburtstagsparty im Wald / Quelle: DALL-E

Prompt: little adventurous girl wearing a flower dress and a beenie, blond hair, white plain background, jim field children's book style –ar 3:2 / Quelle: Midjourney

Prompt: birds view, 3 people in a circle, seated on comfy chairs, evokes happiness and trust, ultra-realistic –ar 16:9 / Quelle: Midjourney

Bildgeneratoren in der Schule – Warum? 

KI im Allgemeinen und Bildgeneratoren im Speziellen werden aus unserer Welt nicht mehr verschwinden. Deshalb lohnt es sich, diese Phänomene in der Schule zu behandeln. Bing Image Creator & Co. können aus unterschiedlichen Gründen in der Schule eingesetzt und thematisiert werden. Hilfreich für die Einordnung sind der Lehrplan 21 und das Dagstuhl-Dreieck. Letzteres bietet einen Rahmen, um technologische Phänomene aus unterschiedlichen Perspektiven anzugehen und mit den Lernenden zu thematisieren. Siehe Erklärungen zum Dagstuhl-Modell in «Zur Vertiefung» (4). 

Digitale Bildung aus den Perspektiven: Technologisch (wie funktioniert das?) Gesellschaftlich-kulturell (wie wirkt das?) und Anwendungsorientiert (wie nutze ich das?)

Dagstuhl-Dreieck: Visualisierung Digitale Bildung aus drei Perspektiven / Quelle: https://mia.phsz.ch/Dagstuhl

Die bisher gezeigten Beispiele bewegen sich mehrheitlich auf der anwendungsorientierten Ebene. Im Unterschied zur Bildsuche mit einer traditionellen Suchmaschine lassen sich mit Bildgeneratoren passgenaue und einzigartige Bilder für ein spezifisches Thema generieren. Dabei zeigt sich rasch, dass (vergleichbar mit Textgeneratoren wie ChatGPT) die Fähigkeit, zielführende sprachliche Anweisungen zu verfassen, nötig ist.  

Das Erstellen von Bildern für eigene Vorhaben ist zudem eine ausgezeichnete Möglichkeit, «mit Medien über Medien» zu lernen. Es bietet sich beispielsweise an, Themen wie Urheberrecht und Bias (Verzerrung) zu thematisieren und so eine andere Perspektive im Dagstuhl-Dreieck einzunehmen. 

Bias – Die versteckten Botschaften 

Man kann das Phänomen Bildgenerierung auch mit der gesellschaftlich-kulturellen Brille (3) betrachten. Das LLM der Bildgeneratoren ist mit Daten von Menschen gefüttert und trainiert worden und kann somit typische gesellschaftliche Biases (Verzerrungen oder Vorurteile) aufweisen. Es lohnt sich, mit den Lernenden Bilder zu analysieren, die auf gewisse Prompts ausgegeben werden. Warum ist es so, dass bei vier Anfragen zu Pflegeberufen mehrheitlich Frauen dargestellt werden? Und weshalb werden bei Führungspersonen meistens Männer dargestellt? – Solche Fragen helfen zu verstehen, dass auf bestehende Daten zugegriffen wird und die erzeugten Bilder nicht vor Stereotypisierungen und anderen verzerrten Darstellungen der Realität geschützt sind. Wie tief man als Lehrperson mit den Lernenden in die gesellschaftlich-kulturelle Ebene eintauchen kann und will, hängt vom Alter der Lernenden sowie vom Know-how der Lehrperson ab. 

Prompt: nurse in a modern hospital, caring, evokes hope, ultra realistic –ar 16:9 / Quelle: Midjourney

Prompt: nurse at work, modern hospital, evokes hope, ultra realistic –ar 16:9 / Quelle: Midjourney

Informationsqualität und Fake News 

Im Weiteren können Lernende Bilder bezüglich ihrer Echtheit analysieren. Zuerst erstellt die Lehrperson selbst Bilder und lässt diese von den Lernenden anhand verschiedener Kriterien analysieren. Sind die echt? Ist die Szene auf dem Bild wirklich denkbar und möglich? In einem weiteren Schritt können die Lernenden dann selbst Bilder erstellen, die von der Lerngruppe wiederum auf ihre Echtheit überprüft werden. Dies kann mit Elementen des Lehrmittels Connected oder den MIA-Stickerheftern vertieft werden. Siehe «Zur Vertiefung» (5) und (6). 

Urheberrecht 

Eine weitere Herausforderung generativer KI-Modelle ergibt sich im Zusammenhang mit dem Urheberrecht. Es stellt sich die grundlegende Frage, wem die mit KI-Tools generierten Inhalte gehören. Dies lässt sich aktuell nicht pauschal beantworten, da die Rechtslage von mehreren Faktoren abhängt. Diese sind unter anderem: 

  • Urheberrechtsgesetze des jeweiligen Landes 
  • Nutzungsbedingungen der Plattform, die die KI betreibt. 

Bei der Nutzung von Bildgeneratoren ist es wichtig zu wissen, dass die Bilder nicht der Nutzerin oder dem Nutzer alleine gehören. Midjourney selbst zum Beispiel behält sich das Recht vor, die Bilder eigenständig zu vermarkten. 

Es stellt sich die grundlegende Frage, wem die mit KI-Tools generierten Inhalte gehören. Dies lässt sich aktuell nicht pauschal beantworten.

Weiterentwickelte KI-Tools und Datenschutz 

Wie alle Tools entwickeln sich auch die KI-Bildgeneratoren weiter. Ein grosser Schritt für viele Schulen in der Schweiz wird die Integration von Microsofts Copilot sein, die im Laufe des Jahres je nach Lizenzmodell vollzogen wird. Aber vor der Nutzung von KI-Tools wie dem Microsoft Copilot mit Schüler:innen werden nicht wenige datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden müssen. Auch Midjourney (siehe «Zur Vertiefung» 7 und 8) entwickelt sich permanent weiter. So ist im Januar 2024 die Alpha-Version 6 veröffentlicht worden. In der Folge werden durch weitere Updates noch realistischere Bilder und neue Möglichkeiten zur Comic-Erstellung möglich. Die Prompt-Struktur von Midjourney scheint deutlich überarbeitet worden zu sein und wird ein Umdenken erfordern. – Viel Spass beim Ausprobieren! 

Autor: Andi Brugger (PH Schaffhausen)

15.03.2024

Zur Vertiefung

  1. Parameter anpassen in einem Prompt für Midjourney (Bildformat, Bildstil, Farbstimmung etc.) 
  2. eBildungslabor von Neele Hirsch. Blog-Post Interaktive Übung zur Reflexion von KI
  3. Link zum Notizbuch (Evernote) mit KI-generierten Bildern im Rahmen einer KI-Kunst-Woche. 
  4. Das Dagstuhl-Dreieck in Kürze erklärt.
  5. Lehrmittel Connected 1. S.52ff. Informationen auf den Puls fühlen
    Lehrmittel Connected 4, S29ff. Fakes im Netz
  6. MIA-Stickerheft
  7. Midjourney Homepage 
  8. YouTube-Tutorial zur Installation von Midjourney 
  9. AI unplugged. KI in der Schule ohne Strom thematisieren. Angebot von Stefan Seegerer und Annabel Lindner 

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ChatGPT im Klassenzimmer 

ChatGPT hat innert kürzester Zeit eine enorme Verbreitung erreicht und das Echo in den Medien war gross. Während das Tool von einigen als Beginn einer neuen Ära gefeiert wird, betrachten es andere als potenzielle Bedrohung. Schnell hat sich gezeigt, dass auch das Bildungssystem vor neue Herausforderungen gestellt wird. Es ist daher wichtig, dass sich Lehrpersonen mit ChatGPT auseinandersetzen, um Anwendungen im Unterricht sowie den unreflektierten Einsatz durch Schüler:innen zu erkennen. 

Wes Cockx & Google DeepMind / Better Images of AI / AI large language models / CC-BY 4.0

In Kürze zum Hören

Was ist ChatGPT? 

Im Wesentlichen handelt es sich um einen KI-gesteuerten Chatbot, der in der Lage ist, Spracheingaben zu «verstehen», Bilder und Dokumente zu «interpretieren» und Dialoge in unterschiedlichen Sprachen zu führen. Da Chatbots aktuell weder Selbstwahrnehmung haben, noch über emotionale Intelligenz, echtes Verständnis oder so etwas wie Vernunft verfügen, sind sie nicht im eigentlichen Sinne «intelligent». Dennoch sind sie in der Lage, all dies erstaunlich überzeugend zu simulieren. Texte werden aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeit begonnen und fortgeführt. Die scheinbare Intelligenz von ChatGPT beruht auf der Mustererkennung in enormen Mengen von Trainingsdaten. Der Chatbot verfügt nicht über ein echtes Verständnis der eigegebenen oder generierten Texte, was gelegentlich zu Falschaussagen oder frei erfundenen Angaben (sogenannten Halluzinationen) führt. Die aktuelle Version von ChatGPT (Stand Dezember 2023) wurde mit Texten aus dem Internet bis 2021 trainiert. Neuere Versionen können aber bereits Webinhalte durchsuchen und über Plugins diverse Datenbanken und Webdienste nutzen, um bessere Antworten zu liefern. ChatGPT eignet sich bisher nur beschränkt zur Generierung von Faktenwissen. Ausgegebene Daten müssen deshalb kritisch auf Plausibilität und inhaltliche Korrektheit überprüft werden. 

ChatGPT kann nicht nur Schreibaufgaben übernehmen, sondern bietet auch Raum für kreatives Brainstorming und Individualisierung des Unterrichts. 

Unterrichtsvorbereitung mit ChatGPT 

ChatGPT dient nicht nur als hilfreiches Werkzeug beim Formulieren von Texten wie Briefen oder Zusammenfassungen, sondern bietet auch Möglichkeiten für kreatives Brainstorming und die individuelle Gestaltung des Unterrichts. Hierzu einige konkrete Anwendungsbeispiele: 

  • Kreatives Schreiben: Lehrpersonen können ChatGPT nutzen, um inspirierende Schreibaufgaben zu entwerfen, die Schüler:innen dazu motivieren, sich auf neue und anregende Weise mit Sprache auseinanderzusetzen. 
  • Vorbereitung des Fremdsprachenunterrichts: ChatGPT übersetzt Texte in nahezu jede Sprache, was Lehrpersonen dabei unterstützt, Unterrichtsmaterialien in der Zielsprache zu erstellen oder zu adaptieren. Darüber hinaus können interaktive Dialogszenarien entworfen werden, die dann im Unterricht als Übungen oder Rollenspiele Verwendung finden. 
  • Individualisierung: ChatGPT kann dabei helfen, komplexe Texte zu vereinfachen, um Lernmaterialien an unterschiedliche Sprachniveaus anzupassen. Es lassen sich auch Transkripte von YouTube-Videos erstellen, die als Basis für Diskussionen oder Aufgaben dienen. Darüber hinaus unterstützt ChatGPT Lehrpersonen dabei, Übungsaufgaben in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen zu generieren. 
  • Erstellung von Quiz und Tests: ChatGPT bietet Lehrpersonen die Möglichkeit, Fragen oder Übungstexte zu einem bestimmten Thema sowie in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen von Lückentexten bis zu Multiple-Choice-Fragen zu generieren, was das Erstellen von Arbeitsblättern und Übungsaufgaben beschleunigt. 
  • Generierung von Kriterienrastern: Durch Eingabe spezifischer Anforderungen oder Kriterien, erstellt ChatGPT detaillierte und personalisierte Bewertungsraster. 
  • Brainstorming: ChatGPT lässt sich als Brainstorming-Werkzeug für eine Vielzahl von pädagogischen Aktivitäten nutzen, beispielsweise um Ideen für Lernspiele zu generieren, inspirierende Einstiege und Abschlüsse für Lektionen zu entwerfen, passende Analogien für komplexe Konzepte zu finden («Erkläre Kernfusion so, dass es ein Kind versteht.») und kreative Texte wie Theaterstücke, Gedichte oder Geschichten zu erstellen. 

Chat GPT im Unterricht

Lernende unter 18 Jahren sollten ChatGPT nur mit bestimmten Vorgaben nutzen. Bei einem Einsatz im Unterricht gilt es, eine Registration mit einer E-Mail-Adresse zu vermeiden. Es gibt verschiedene Anbieter, die entsprechende Lösungen anbieten und Bestrebungen zum Datenschutz unternehmen (schulki.de, fobizz.com, schabi.ch), indem sie die Metadaten aus der Kommunikation mit den Chatbots herausfiltern. 

Aber auch diese Tools schützen nicht davor, dass Schülerinnen und Schüler den Chatbot mit persönlichen Daten füttern. Wie bei allen Onlinediensten erfordert der Einsatz von ChatGPT im Unterricht einen Aufbau entsprechender Medienkompetenzen sowie enge Begleitung der Aktivitäten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann ChatGPT sinnvoll im Unterricht genutzt werden.  

Neben anwendungsorientierten Fertigkeiten brauchen Lernende auch Grundlagenwissen – sowohl zur technologischen als auch zur gesellschaftlich-kulturellen Perspektive.

  • Deutschunterricht (oder Erstsprachunterricht) 
    • Arbeitsweise im Schreib-Tandem: Schüler:innen arbeiten mit ChatGPT zusammen, wobei sie einen Satz oder Absatz schreiben und ChatGPT darauf aufbauend weiterschreibt. Dies kann den Schreibprozess interaktiver und unterhaltsamer gestalten. 
    • Vorschläge zur Verbesserung eigener Texte: ChatGPT kommt als Werkzeug zur selbstständigen Überprüfung und Verbesserung von Grammatik, Syntax und Stil zum Einsatz. 
  •  Sachunterricht  
    • Erstellung von Gliederungen und Abläufen für Vorträge: ChatGPT wird genutzt, um Schüler:innen bei der Strukturierung von Vorträgen zu unterstützen. 
    • Gespräche mit historischen Personen: In einem simulierten Chat übernimmt ChatGPT die Rolle einer historischen Person. 
    • Sammeln von Pro- und Kontraargumenten für Debatten: ChatGPT unterstützt die Schüler:innen dabei, fundierte Argumente für Debatten aus unterschiedlichen Perspektiven zu entwickeln. 
  • Fremdsprachenunterricht 
    • Erstellung von Wortlisten zu bestimmten Themenbereichen: ChatGPT generiert thematische Wortlisten in einer Fremdsprache. 
    • Durchführung von Sprachspielen: ChatGPT kann in verschiedene Sprachspiele integriert werden, um das Sprachenlernen interaktiver und unterhaltsamer zu gestalten. 
    • ChatGPT als Dialogpartner: ChatGPT übernimmt die Rolle eines Muttersprachlers bzw. einer Muttersprachlerin, um Schülerinnen und Schüler bei der Verbesserung ihrer mündlichen oder schriftlichen Kommunikationsfähigkeiten zu unterstützen. 
  • Hausaufgabenbetreuung: SchülerInnen stellen ChatGPT Fragen zu einer Vielzahl von Themen und erhalten in der Regel genaue und verständliche Antworten. Dies kann dazu beitragen, dass Schüler:innen ihre Hausaufgaben selbstständiger erledigen können und soziale Ungleichheiten kompensiert werden (z.B. Unterstützung durch die Eltern). 

Um Auswirkungen, Chancen und Grenzen von KI-Technologien einschätzen zu lernen, brauchen Schüler:innen zusätzlich zu anwendungsorientierten Fertigkeiten (Wie nutze ich das?) auch Grundlagenwissen – sowohl zur technologischen (Wie funktioniert das?) als auch zur gesellschaftlich-kulturellen Perspektive (Wie wirkt das?). Diese Aspekte können im Rahmen des Medien- und Informatikunterrichts vertieft werden. 

Autor:innen: Luca Botturi (SUPSI) und Janine Trütsch (PH Zürich)

18.01.2024

Zur Vertiefung

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