Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) will Lernende befähigen, Zusammenhänge zu erkennen, reflektiert zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Dabei sind Eigenschaften wie Kreativität, Teamfähigkeit und Problemlösekompetenz besonders gefragt, also genau jene Fähigkeiten, die im schulischen Making gestärkt werden. Making kann zum Lernraum werden, indem Nachhaltigkeit nicht nur thematisiert, sondern praktisch erlebbar wird.
In Kürze zum Hören
Was ist Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit bedeutet heute weit mehr als Umweltschutz oder Ökostrom. Sie beschreibt ein umfassendes Leitbild für eine zukunftsfähige Entwicklung, das ökologische, soziale und ökonomische Ziele miteinander in Einklang bringt. Der Brundtland-Bericht der UN (1987) definiert nachhaltige Entwicklung als das Bemühen, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden. In einer Welt, die mit Klimakrise, Ressourcenübernutzung und wachsenden sozialen Ungleichheiten konfrontiert ist, braucht es tiefgreifende Veränderungen – in Wirtschaft, Politik und insbesondere in der Bildung.
Making mit persönlicher und gesellschaftlicher Bedeutung
Ein Brückenmodell konstruieren oder ein defektes Spielzeug reparieren? Nachhaltiges Making beginnt mit der Frage nach persönlicher Sinnhaftigkeit. Während ein Thema wie «Brückenkonstruktion» in der Regel von aussen an die Schüler:innen herangetragen wird, kann die Reparatur eines ferngesteuerten Autos ein individuell bedeutsames Anliegen mit konkretem Nutzen sein.
Making wird dann nachhaltig, wenn es der Person wirklich etwas bedeutet.
Genau dies ist zentral: Intrinsisch motivierte Projekte fördern die Identifikation, regen zur vertieften Auseinandersetzung an und erhöhen die Bereitschaft, sich bei der Lösungsfindung zu engagieren. Im genannten Beispiel mit dem ferngesteuerten Auto kommt zur persönlichen Relevanz ein gesellschaftlich-nachhaltiger Aspekt hinzu: die Verlängerung der Produktlebensdauer. Das fördert zusätzlich Selbstwirksamkeit und Autonomie jenseits konsumorientierter Lösungen. Im schuleigenen Repair Café reparieren Schüler:innen mit Unterstützung ehrenamtlicher Expert:innen ihre Velos, altes Spielzeug oder Geräte – mit dem Ziel, Ressourcen zu schonen und handwerklich-technische Fertigkeiten zu entwickeln.

Bild: Antoinette Massenbach, PHTG
Für Lehrpersonen bleibt die Herausforderung, Schüler:innen bei der Suche nach persönlich und gesellschaftlich relevanten Projekten zu begleiten. Orientierung können die 17 SDGs (Sustainable Development Goals) der UN bieten (1). Schüler:innen erkunden, ob sie ein Projekt finden, das sich einem oder mehreren der Ziele zuordnen lässt. So entstehen kreative, nachhaltige Prototypen wie die Videobeispiele von WILMA (Wir lernen durch Machen) (2) eindrucksvoll zeigen.
Making mit Mass – Technologie clever nutzen
Braucht es wirklich den Lasercutter oder reichen eine Laubsäge, ein Handcutter und etwas Geduld? Wer die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Geräte kennt, kann sie gezielt nutzen, etwa wenn feine Gravuren oder exakte Schnitte von Hand kaum umsetzbar wären. Statt direkt mit Maschinen wie 3D-Drucker oder Lasercutter zu arbeiten, sollten erste Entwürfe (Prototypen) aus Karton oder Restmaterial gebaut werden. So lassen sich Grösse, Funktion oder Passform vorab testen und unnötige Maschinenlaufzeiten, Ausschuss sowie Fehlversuche vermeiden. Ein Energiemessgerät kann helfen, den Energiebedarf der Geräte sichtbar zu machen und zur Reflexion über Energieeffizienz anregen.
Jeder dokumentierte Fehler verhindert neue Fehler. Das ist gelebte Nachhaltigkeit im Lernprozess.
Ob fantasievolle Roboter, leuchtende Kunstobjekte oder selbstgebaute Lautstärkemesser für das Schulzimmer – in vielen Making-Projekten kommen elektronische oder mechanische Bauteile wie LEDs, Motoren oder Sensoren zum Einsatz. Diese müssen jedoch nicht neu gekauft werden.

Bild: Antoinette Massenbach, PHTG
In ausgedienten Geräten steckt oft mehr Wiederverwertbares, als man denkt. Das spart Geld, schont Ressourcen und fördert technisches Verständnis. Vorausgesetzt wird ein sicherer Rahmen. Hochspannungsbauteile und offene Netzteile gehören nicht in Schüler:innenhände.
Die Lehrperson kann den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen auch direkt einfordern. Etwa durch Vorgaben, mit möglichst wenig Material auszukommen oder recycelte Werkstoffe zu verwenden.
Geteilte Fehler – nachhaltiger Fortschrift
Fehler gehören zum Making dazu – entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Eine positive Fehlerkultur trägt zur sozialen Nachhaltigkeit bei: Wissen wird zugänglich, Zusammenarbeit gestärkt. Werden Probleme dokumentiert und Erfahrungen geteilt, profitieren andere davon. So können Wiederholungen von Fehlversuchen, unnötiger Materialverbrauch und Frustration vermieden werden, etwa wenn beim Lasercutter die Materialdicke falsch eingestellt wurde oder wenn Überhänge beim 3D-Druck ohne Stützkonstruktion geplant werden.
Alte Geräte sind kein Abfall – sie sind Schatzkisten für Maker:innen.
Wer Fehler nicht versteckt, sondern transparent aufarbeitet, zeigt: Irrtümer sind keine Rückschritte, sondern notwendige Etappen auf dem Weg zur Weiterentwicklung. Dafür braucht es Mut und ein Umfeld, in dem sich Lernende angenommen und ernst genommen fühlen.
Gerechtes und inklusives Making
Bildung soll für alle sein, so wird der Anspruch im SDG4 «Hochwertige Bildung» formuliert. Making-Angebote wirken auf den ersten Blick oft recht techniklastig. Das könnte Schüler:innen, die sich weniger für Technik interessieren, abschrecken. Ein interdisziplinärer Ansatz, der technologische mit künstlerischen und ästhetischen Zugängen verbindet, kann diesem Problem entgegenwirken. So motiviert beispielsweise die Verbindung von Informatik und Theater auch weniger informatikaffine Schüler:innen für das Programmieren (3).
Chancengerechtes Making in der Schule sollte ausserdem nicht ausschliesslich ein freiwilliges Zusatzangebot sein. Erst durch die Integration von Making in den regulären (Fach-)Unterricht wird sichergestellt, dass alle Schüler:innen erreicht werden – unabhängig von Geschlecht oder Lernvoraussetzungen. Auch die Lernumgebung trägt zur Inklusion bei. Makerspaces sollten u. a. eine barrierefreie Ausstattung aufweisen und beispielsweise sprachsensible Materialien für DaZ-Lernende sowie einfache, analoge Alternativen zu komplexen digitalen Tools bereithalten.
Am Ende zählt die Haltung
Making und Nachhaltigkeit gehören zusammen. Nachhaltigkeit zeigt sich dabei nicht nur im Materialeinsatz, sondern im Denken in Kreisläufen, in sozialem Engagement und im bewussten Umgang mit Technologien. Es geht nicht primär um das perfekte, wertige Produkt, sondern um die Entwicklung einer nachhaltigkeitsorientierten Haltung – im Kleinen wie im Grossen. Und wenn beim Anfertigen eines Prototyps doch mal Abfall anfällt, ist das kein Beinbruch. Prototypen sind Zwischenschritte, die helfen, Ideen zu entwickeln und Probleme kreativ zu durchdenken. Entscheidend ist der Bildungswert des Prozesses – im Sinne einer hochwertigen, zukunftsorientierten Bildung.
Autor: Björn Maurer, PHTG
10.6.25
Zur Vertiefung
- Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen zeigen konkrete Handlungsfelder auf und unterstreichen die Notwendigkeit, globale Herausforderungen systemisch zu denken.
- Auf der WILMA-Plattform (Wir lernen durch Machen) finden sich Videos, die zeigen, wie Kinder und Jugendliche Prototypen zur Lösung von Nachhaltigkeitsherausforderungen präsentieren.
- Beim Ansatz «Informatiktheater» werden theaterpädagogische Ansätze und Programmieraktivitäten verknüpft. Hard- und Software werden genutzt, um interaktive Requisiten zu programmieren und Theaterszenen zu entwickeln
- Beispiel für ein Repaircafe an einer Schule in München: das-macht-schule.net/schulreparaturwerkstatt
- Beispiele für Projekte im Bereich nachhaltiges Making auf der Plattform Tüftellab.de: https://tueftellab.de/makerspace/nachhaltigkeit-im-making/
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